Zum Reformationstag nach Wittenberg

 25. Oktober 2017   Klaus

„Tok-tok-tok“ – ein kräftiges Schlagen von Metall auf Metall. So kann es sich anhören, wenn Camper ihre Zeltheringe mit dem Hammer tief in den Boden ihres Lieblings-Stellplatzes treiben. Ähnlich mag es aber auch vor exakt 500 Jahren geklungen haben, aber aus anderem Anlass. Als Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg nagelte. Er prangerte mit seinen Schriften besonders den kirchlichen Ablasshandel an. Der sorgte aus seiner Sicht für ein Freikaufen von Sünden, ohne dass der Sünder sie wirklich bereuen müsste. Der florierende Handel mit Ablässen diente auch der Finanzierung des päpstlichen Petersdoms in Rom. Und die kirchlichen Würdenträger und Ablasshändler, bei denen das Volk gegen Bares von seinen Sünden „befreit“ wurde, verdienten kräftig mit.

Martin Luther Denkmal vor dem Rathaus in Wittenberg


Ursprünglich wollte der fromme Luther wahrscheinlich vor allem eine innerkirchliche Diskussion und Veränderung anstoßen. Auch wenn es nicht ganz geklärt ist, ob der dramatische Thesenanschlag tatsächlich stattgefunden hat, und Luthers Thesen wahrscheinlich schon vorher kursierten: So gilt das Anschlagen doch als Ausgangspunkt der Reformation, die letztendlich zur Kirchenspaltung führte. Gelehrte sorgten für die Verbreitung von Luthers Ansichten, und der sächsische Landesherr Friedrich III. der Weise ließ ihn gewähren und hielt seine schützende Hand über ihn. Wohl auch, weil er selbst dem Geldabfluss gen Süden überdrüssig war. Wie im Krimi ging es weiter: Über den römischen Prozess, den Reichtstag von Worms, den fingierten Überfall, um Luther vor den gegnerischen Häschern zu schützen bis zur Bibel-Übersetzung auf der Wartburg.

Im kleinen Wittenberg an der Elbe nahm also die Kirchenrevolution ihren Anfang

Das wollten wir uns im Lutherjahr persönlich ansehen. Wenige Tage vor dem 500-jährigen Jubiläum des Thesenanschlags, dem 31. Oktober 2017, erkundeten wir die Lutherstadt an der Elbe. Zuerst ging es natürlich zur Schlosskirche. Die Tür des Thesenanschlags ist zwar nicht mehr die originale von 1517, aber trotzdem „atmet“ sie Geschichte. Wer auf dem autofreien Platz vor ihr steht und die Augen schließt, kann sich vorstellen, wie Kirchenleute und das gemeine Volk aufgeregt mit dem streitbaren Luther diskutierten, sich solidarisierten oder erbittert gegen ihn angingen.

Die turbulenten Zeiten können wir Gegenwärtigen in dem atemberaubenden Panometer intensiv nacherleben: Der Künstler Yadegar Asisi hat mit „LUTHER 1517“ ein gewaltiges 360-Grad-Gemälde geschaffen. Hier wandeln Besucher durch das spätmittelalterliche Wittenberg, erleben und hören das bunte Treiben auf den Straßen, Pferde, Ziegen und Hunde, Marktleute und Soldaten, den Ablasshandel, Chorgesänge, Luthers Thesenanschlag, das ferne Grollen der späteren Bauernkriege vor der Stadt und vieles mehr. Zwar kostet der Eintritt 24 Euro für eine vierköpfige Familie, aber es lohnt sich! Es ist wie ein Spaziergang durch ein riesiges „Wimmelbuch“, bei dem die Kinder und wir immer wieder neue Details entdeckten.

Panorama Gemälde LUTHER 1517 in Wittenberg


Bevor es in das etwa 15 x 75 Meter große, fast kreisrunde Werk ging, erkundeten wir von der Schlosskirche kommend auf rund 900 Metern Gehstrecke die reiche Historie der Lutherstadt Wittenberg: An den historischen Altstadtfassaden künden unzählige Tafeln von der Bedeutung und den berühmten Persönlichkeiten, die hier einst weilten: Zar Peter der Große undGoethe „auf Durchreise“, der Luthermaler Lucas Cranach der Ältere (und der Jüngere) mit ihren Ateliers. Noch heute finden sich in und rund um die Cranachhöfen zahlreiche Kunsträume und Galerien. In den Cranachhöfen wurden im 16. Jahrhundert die Thesen von Luther gedruckt und damit vielen zugänglich gemacht.

Schräg gegenüber stärkten wir uns in einem gemütlichen Eiscafé – nicht ohne einen Blick auf das Luther-Denkmal zu werfen. Es steht vor dem Renaissance-Rathaus mit dem Sünderturm, und eine moderne Weltkugel auf dem Rathausplatz symbolisiert die weltumspannende Bedeutung der Reformation. Unweigerlich kommt uns das Luther zugeschriebene Zitat „Hier stehe ich und kann nicht anders. Gott helfe mir, Amen!“ zu. Mit dem soll er den Widerruf seiner Ansichten auf dem Reichstag zu Worms vertreten haben.

Wittenberger Marktplatz


Theologen wie Bugenhagen, der finnische Reformer und Lutherschüler Agricola sowie weitere Gelehrte und auch Erfinder trugen zum Aufstieg Wittenbergs bei.

Das Melanchthon-Haus befindet sich direkt neben der altehrwürdigen, ehemaligen Universität Leucorea.

Das Melanchthon-Haus befindet sich direkt neben der altehrwürdigen, ehemaligen Universität Leucorea.


Hier lehrten Luthers Weggefährte, der Humanist Philipp Melanchthon, auch „Lehrer Deutschlands“ genannt, und Martin Luther höchstselbst. Was wir übrigens auch lernten, dass sich kirchliche Reformbewegungen unterschiedlich entwickelten. So gibt es heute neben evangelisch-lutherischen Christen zahlreiche weitere protestantische Glaubensrichtungen, von Calvinisten in den Niederlanden und in Genf bis zu Frei- und Pfingstkirchen, Evangelikalen in den USA und anderswo.


Nur wenige Schritte weiter erreichten wir, kurz vor dem oben genannten Panometer, das Lutherhaus. Darin lebte der große Reformator mit seiner Ehefrau Katharina, geborene von Bora. Wir standen im Innenhof und stellten uns vor, wie hier die sechs Kinder der Luthers herumsprangen! Heute beherbergt das Lutherhaus mit dem größten Reformationsmuseum der Welt zahlreiche Schriften, Bildnisse, Skulpturen und weitere Exponate. Es bietet auch zahlreiche Bezüge zur neueren Geschichte, von Martin Luther King bis zur DDR-Friedensbewegung.

Wer von Berlin in den Harz unterwegs ist (zum Beispiel zum Knaus Campingpark Walkenried), für den liegt Wittenberg fast auf dem Weg. Nur rund eine Viertelstunde von der A9, etwa eineinviertel Autostunden südwestlich von Berlin. Ein Zwischenstopp bei Martin Luther lohnt sich ebenfalls für Urlauber, die (so wie wir) vom Camping- oder Wanderurlaub aus Tschechien kommen und nach Norddeutschland weiterreisen.

Voller Eindrücke und innerlich bewegt von der historischen Bedeutung dieser Weltkulturerbe-Stätte traten wir den Heimweg an.

Unsere jüngste Tochter eignete sich auf der Rückfahrt mit einem Luther-Kinderbuch das nötige Hintergrundwissen an. Und sie freut sich über den Martin Luther von Playmobil, die meistverkaufte Figur des (Luther-)Jahres 2017!


ÜBER DIE AUTOR.IN

Klaus

Klaus ist ein freier Autor, der seit über 30 Jahren fast durchgängig in der Campingbranche arbeitet. Er liebt es, Campingplätze aus Sicht der Gäste zu erleben und mit seinen Texten anschaulich und authentisch zu beschreiben. Klaus ist am liebsten auf kleinen und mittelgroßen Camping- und Glampingplätzen in Italien, Frankreich, Österreich oder Deutschland unterwegs.

Auch privat macht er am liebsten Urlaub auf dem Campingplatz - mit seiner Familie in einem gemieteten Mobilheim, im geliehenen Wohnmobil, oder mit Freunden auf Kajak- oder Radtouren mit seinem eigenen kleinen Zelt.